Am Rande

Am Rande

Jesus lädt zu seinem Fest ein und die Eingeladenen kommen nicht. Dann werden die eingeladen, die am Rande stehen. Ich begegne Menschen, die sich manchmal innerlich am Rande erleben. Ich begegne Menschen, die sich in unserer Gesellschaft am Rande erleben und erlebe in der Beratung, dass Jesus mit seiner himmlischen Wirklichkeit auch heute zu einem Fest einlädt. Es berührt mich, Menschen zu begleiten und mit ihnen zu erleben, wie Gottes Wirklichkeit im Leben von Menschen wirkt. Die folgende Geschichte gibt einen kleinen Einblick in Jesus-Begegnungen, die ich mit Menschen erleben darf.

Am Rande

Dunkel um mich herum. Wie bin ich wieder hier gelandet? Tränen perlen über mein Gesicht. Ich muss tief durchatmen, das darf nicht sein. Die Tränen müssen aufhören, der Schmerz ist zu groß. Ich schaue mich um, wo bin ich? Was liegt da neben meinem Busch – ein alter Teddybär, ziemlich speckig. Oh, kann das sein? Ich hebe ihn auf und ja, das ist meiner. Ein Bild entsteht vor meinen Augen, mein Vater nimmt ihn mir weg und sagt: „Du bist jetzt wirklich groß genug, gib ihn mir. Du bist viel zu sensibel – zu weich – zu nah am Wasser gebaut. Du bist groß genug, um ohne Teddy zurechtzukommen.“ Und er war einfach stärker, ich schluckte die Tränen hinunter. Ich versuchte, stark und hart zu sein, so wie mein Vater mich haben wollte. Nein, weg mit dem Bild. Ich habe es geschafft, ich habe mich angepasst, um nicht am Rande meiner Familie zu stehen. Das würde kein Kind aushalten. Ich habe funktioniert. Meine Mutter mochte kluge Mädchen, also habe ich gelesen, gebüffelt, gelernt und war erfolgreich in der Schule und später im Beruf. Ich war kein Außenseiter mehr.

Warum sitze ich dann hier unter dem Baum neben dem Busch im Dunkeln? Eine Ballonkugel rollt mir vor die Füße. Das nächste Bild kommt, ich kann es nicht aufhalten. Ich beim Sport am Rand, außen vor, alles anderen sind ausgewählt. Ich bleibe übrig und dann der Spruch: „Die wollen wir nicht, dann sind wir lieber einer weniger“. Nein weg – das will ich nicht sehen, schließlich habe ich es geschafft. Irgendwann saß ich neben der Coolsten der Klasse. Über ihre Witze habe ich am lautesten gelacht, wurde ihre Nachhilfelehrerin – na ja, oder wie auch immer man das nennen will. Mein Blatt lag immer so, dass sie abschreiben konnte. Ich schaffte es, dazuzugehören und verlor mich dabei selbst.

Langsam dämmert es mir, ich ahne, wo ich bin – mitten in mir, in meinem Herzen. Aber warum? Ich hatte es doch geschafft, alles zu verdrängen, mich rauszuarbeiten, und jetzt, mitten in mir, rollt er an, der Schmerz, noch eine Erinnerung kommt. Nein, es ist zu schrecklich, ich kann die Geschichte nicht erzählen, aber sie hat dafür gesorgt, dass dann endgültig alles in mir zerbrach. Danach stand ich wieder am Rand, schiefe Blicke und Getuschel hinter meinem Rücken. Und in mir jetzt auch am Rand, sitze im Dunkeln, weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich will nicht in mir sein, in meinem Herzen. Starre auf den Boden und weiß nicht, was ich tun soll. „Sieh mich an“, was ist das für eine liebevolle Stimme in mir? Ich kann nicht anders, als aufzuschauen. Eine Frau steht vor mir, alt und weise, lebendig und jung zugleich. In ihren Augen leuchtet Güte und Trost, aber auch Freude. Sie ruht und ist doch in Bewegung. „Komm, steh auf, du bist eingeladen. Ein besonderes Fest nur für dich.“ Sie streckt mir ihre Hand entgegen. Ich kann nicht anders, als sie zu ergreifen. „Ein Fest für mich, wie kann ich feiern, in mir ist alles dunkel und zerbrochen. Ich weiß nicht, wie ich hier rauskommen soll. Aber ich will es auch nicht, denn raus zu den anderen will ich auch nicht. Ich halte es nicht mehr aus.“ „Wir gehen auch nicht raus“, sagt sie, „wir bleiben in dir. Er hat diesen Raum in dir seit Jahren beschützt. Wunderschön hergerichtet, ein Fest für dich.“ „Ein Raum in mir?“ Sie reicht mir die Hand: „Lass uns gehen.“ Und ich traue mich. Es tut so gut, wenn sie berührt mich. Wärme breitet sich in mir aus. Wir gehen durch meine Dunkelheit. Das Licht, das sie umgibt, leuchtet uns den Weg. Da sehe ich in der Ferne einen See und ich spüre, es ist mein Tränensee und die Dunkelheit breitet sich wieder aus. Sie bleibt stehen und schaut mich an. „Meine Liebe“, sagt sie, „ja, es gibt noch vieles in dir, was Trost und Heilung braucht, aber heute ist der Raum in dir dran, wo er alles für dich vorbereitet hat und aus dieser Kraft heraus wirst du mit ihm dein Herz erforschen, heilen und Neues gestalten. Jetzt ist nicht die Zeit für deine Tränen.“ Sie verstärkt ihren Händedruck und ich kann mit ihr weitergehen. Wir kommen an einen Waldrand und ich merke, wie die Sonne aufgeht. Licht fällt durch die Bäume. Die Blätter glitzern im Licht. Ich schaue zurück, hinter mir ist es noch dunkel und vor mir ist es hell. Wir treten aus dem Wald heraus, mitten auf eine Almwiese. Blumen wiegen sich im Wind.

Da steht er. Er lächelt mich an. Er steht an einem gedeckten Tisch. Wunderschön gedeckt. Er winkt und ruft: „Komm lass uns feiern. Ich freue mich, dass du da bist.“ Ich schaue mich um, nur ich als Gast? Natürlich, wir sind auch in mir, in meinem Herzen. Staunend schaue ich mich um, da ist ein Raum in mir – so schön. Ein Raum voller Wunder. Ich kann es nicht glauben. Leise murmele ich: „Und was feiern wir?“ „Dich, dein Leben, dein Sein.“ „Mich? Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich habe alles versucht und nur Dunkelheit in mir erreicht. Abgelehnt, ausgeschlossen, es gibt nichts zu feiern.“ „Liebes“, sagt er auch, „ich weiß, ich kenne dich, jede Minute deines Lebens, ich kenne alles, was dich zerbrochen hat. Aber sieh dich um, das bist auch du. Deinen Ort, dein Sein habe ich bewahrt. Dein Leben, alles, was ich dir geschenkt habe. Deine Schönheit, deine kostbaren Gedanken, deine Träume, deine Sehnsüchte, deine Fähigkeiten, deine Einzigartigkeit. Dein Leben ist so wertvoll für mich, Liebes, so kostbar, so wichtig, so besonders. Komm, tanz mit mir den Tanz deines Lebens.“  „Aber die Dunkelheit, der Schmerz.“ „Alles zu seiner Zeit. Komm, du bist jetzt hier. Tanz mit mir. Wage den Tanz inmitten des Schmerzes.“ Er reicht mir seine Hand, zögernd gehe ich auf ihn zu. Lege meine Hand in seine. Eine leise Melodie entsteht und in mir beginnt vorsichtig der Tanz des Lebens. Ich spüre, wie ein Stein in mir zerspringt und eine wunderschöne Blume wächst. Eine Ahnung steigt in mir auf. Wie ein Bild sehe ich, dass er und ich, gestärkt durch die Feier meines Lebens mit seinem Licht der Ewigkeit, die Dunkelheit in mir erhellen werden, wie die Dunkelheit flieht, wie Steine zerbrechen, Blumen wachsen, wie meine und seine Tränen meine Wunden heilen und wie er mich ganz werden lässt. Aber jetzt, in diesem Moment, genieße ich den Tanz in meinem von ihm geschützten Raum. Mit ihm entdecke ich mich selbst, weiß mich geliebt mit meinem ganzen Sein, meinen Bedürfnissen und Sehnsüchten. Hier auf der Wiese darf ich sein, gehöre zu mir, gehöre zu ihm, zu Jesus, der mich liebt und mit mir den Tanz meines Lebens tanzt.

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Martina Damerow

Martina Damerow

Jahrgang 1970 | verheiratet | 5 Kinder | Individual­psycho­logische Beraterin und Supervisorin | christlich orientierte Trauma­beraterin (ICTB) | Akkreditierte Supervisorin beim ACC Deutschland

Als Lebensberaterin und Supervisorin in Neumünster lebe, liebe und arbeite ich. Zusätzlich bin ich auch als Referentin in Deutschland tätig. Ich kenne einen Gott, der es mir ermöglicht hat, mich mit meinem „Gewordensein“ zu versöhnen und mein Sehnsuchtsland zu entdecken und zu leben. Meine Leidenschaft besteht darin, Menschen zu ermutigen, die Schätze in sich zu entdecken und ihr Leben selbst zu gestalten, anstatt sich von Umständen, Meinungen und eigenen Lebensmustern bestimmen zu lassen.

Auf dieser Homepage findest du verschiedene Angebote, die alle das Ziel haben, Menschen zu ermutigen, ihre Potentiale zu entdecken, sich selbst anzunehmen, in ihren Schwächen Stärken zu finden, ihren eigenen Weg zu suchen und zu gehen.

„Was du im Leben brauchst um dich zu entwickeln und deine Ziele zu erreichen ist Mut!“ (R.Dreikurs